10. Juni 2016 - „Behandler und Patienten werden ein immer besseres Team“ – Brustkrebsexperten tagten erfolgreich in Dresden
„Behandler und Patienten werden ein immer besseres Team“ – Brustkrebsexperten tagten erfolgreich in Dresden
Berlin, 10. Juni 2016. „Ich stehe hier stellvertretend für viele Patientinnen“, eröffnete Moderatorin Miriam Pielhau die Auftaktveranstaltung des Senologie-Kongresses 2016 vom 26. bis 28. Mai 2016 in Dresden. „Behandler und Patientinnen werden ein immer besseres Team im Sinne der Gesundheit“, stellte die 40-jährige Journalistin, die 2008 selbst erstmals an Brustkrebs erkrankte, fest.
„Wir sind Senologie“, griff Prof. Dr. med. Rüdiger Schulz-Wendtland, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. und Leiter Gynäkologische Radiologie, Radiologisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen, das seit 2012 etablierte Leitmotiv in seiner Eröffnungsrede auf. Über 2500 Brustkrebs-Experten tauschten sich auf der 36. Jahrestagung in Dresden über aktuelle Erkenntnisse zur Brustgesundheit aus.
„Die Deutsche Gesellschaft für Senologie ist in allen Leitlinien führend. Mehr als 90 Prozent aller Patientinnen lassen sich in Brustzentren behandeln. Aber: Ärzte in Städten wie Köln, Düsseldorf, München überweisen ihre Patienten noch zu wenig in zertifizierte Brustzentren.“ Hier gebe es laut Schulz-Wendtland noch deutlichen Verbesserungsbedarf für die flächendeckende, qualitätsgesicherte Versorgung von Brustkrebspatientinnen. Als Mammutwerk bezeichnete er die zu überarbeitende S3 Leitlinie „Mammakarzinom der Frau – Diagnostik, Therapie und Nachsorge“, die Brustkrebsexperten von der Diagnose bis zur Nachsorge als Orientierungshilfe diene. An der Fertigstellung sind die Senologen maßgeblich beteiligt.
Ein weiteres Ziel ist die Fokussierung der translationalen Forschung sowie die Weiterentwicklung der Tomosynthese. „Es muss noch schneller gehen, wissenschaftlich evaluierte Erkenntnisse in die Praxis zu bringen“, so Prof. Dr. med. Schulz-Wendtland. „Wir Senologen haben den Anspruch, Unter- und Übertherapien zu minimieren, durch die immer differenzierteren individuellen Therapieentscheidungen.“ Ein Schwerpunkt des Kongresses war die Weiterentwicklung der bildgebenden Diagnostik. Mit einem Drittel weniger Strahlung können heute bei Mammografien dank digitaler Technik und besserer Bildauflösung aussagekräftigere Bilder erzielt werden.
„Für die Patientinnen sind wir, die behandelnden Ärzte, Lotse, Therapeut und Begleiter während und nach Abschluss der Akutbehandlung. Die Patientin steht mit ihren Nöten und Sorgen im Mittelpunkt“, erklärte Prof. Dr. med. Rita Engenhart-Cabillic. „Passgenau dem individuellen Risikoprofil und Patientenwunsch entsprechend müssen die Bausteine und Sequenzen der vielfältig verfügbaren lokoregionalen und systemischen Therapien gewählt werden. Nur in interdisziplinärer Verantwortung können die optimalen Entscheidungen in Diagnostik, Therapie und Nachsorge für die uns anvertrauten Patienten, Frauen und Männer, getroffen werden“, so die Kongresspräsidentin Engenhart-Cabillic, Direktorin der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Gießen/Marburg. Daher begrüßte sie unter dem Motto des diesjährigen Kongresses „Zusammen Brustkrebs klug behandeln“ die Teilnehmer aller beteiligten Berufsgruppen, die das Wohl der erkrankten Frauen sicherstellen: „Ohne die Assistentinnen, Study Nurses und die Gesundheitspflege in den Kliniken und Praxen wie der Selbsthilfe ist die umfassende Versorgung der uns anvertrauten Patientinnen nicht möglich.“
Hohe Überlebensrate – Erforschung von Subtypen
Durch Erkenntnisse aus klinischen Studien zur Prävention, Diagnostik und Therapie verbunden mit strukturellen und edukativen Maßnahmen verbesserte sich die Heilungsrate des Mammakarzinoms immens. So liegt für alle Brustkrebsstadien zusammen heute die 5-Jahres-Überlebensrate bei fast 90%. Allerdings: Es gibt biologisch hochaggressive Varianten, infolge derer Frauen immer noch an Brustkrebs versterben.
„Dem gegenüber stehen die Patienten mit gut zu heilendem Tumor und positiver Prognose, bei welchen es immens wichtig ist, die physischen und vor allem psychischen Nebenwirkungen der Therapie so gering wie möglich zu halten und sie nicht durch eine standardmäßig angewandte Sicherheitsmarge an technischem Aufwand zu stigmatisieren und zu verunsichern“, gab Prof. Engenhart-Cabillic zu bedenken. Es gilt also, innovative und individuelle, auf das Patientenrisiko abgestimmte Therapien zu entwickeln. Es sollte angestrebt werden, diejenigen Patientinnen und Patienten zu identifizieren, bei denen weniger an Therapie indiziert ist und wo bei wenig aggressiven Tumorvarianten mit guter Prognose durch Deeskalation der adjuvanten medikamentösen und radioonkologischen Therapien unnötige Belastungen vermieden werden können, ohne die Heilung zu kompromittieren. Für die aggressive Tumorvariante sind neue Therapieansätze und intelligente translationale Forschungsprojekte notwendig, die das Verständnis für die tumorbiologische Effektivität einer Therapie und für Resistenzmechanismen erweitern.
„In interdisziplinärer Zusammenarbeit müssen wir anhand dessen, was heutzutage nützlich und sinnvoll in der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms ist, gemeinsam ein individuelles Behandlungskonzept entwickeln und die optimale Entscheidung für die uns anvertraute Patientin treffen. Hier zeigt sich der Anspruch flächendeckender Behandlungsstrukturen und der tanslationalen Forschung“, betonte Prof. Engenhart-Cabillic.
Ausgezeichnet: Amerikanischer Brustkrebsforscher Craig Jordan
Prof. Craig Jordan erhielt die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Senologie. Der renommierte Brustkrebsforscher und Onkologe vom MD Anderson Institut, Houston, gilt als Erfinder des Tamoxifens. Er ist der Deutschen Gesellschaft für Senologie eng verbunden und wurde von Laudator Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Tübingen, ausgezeichnet. Gewürdigt wurden Craigs Meilensteine in der Erforschung der modernen Brustkrebstherapie durch die Inaugurierung von Tamoxifen und damit die gesamte adjuvante antiöstrogene Therapie.
Öffentliche Aufklärung zur Brustkrebsfrüherkennung
Vom Aktionstag für Patientinnen „Ich bin dabei“ zur Brustkrebsfrüherkennung am Vortag des Kongresses berichtete Kongresspräsident Dr. med. Mario Marx, Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Brustchirurgie, Elblandklinikum Radebeul: „Wir Senologen haben in der Öffentlichkeit ungeschminkt informiert und den Dialog gesucht.“ Die Informiertheit der Patientinnen ist heute ein wesentlicher Bestandteil des Behandlungskonzeptes.
Preisverleihungen für exzellente Nachwuchsforscher
Nachwuchsforscher erhielten von Prof. Dr. med. Michael Lux, wissenschaftlicher Leiter der Deutschen Akademie für Senologie, die mit 3000 Euro dotierten Wissenschaftspreise. Dr. Carolin Hack, Erlangen, wurde für ihre Arbeit „Interest in integrative Medicine Among Postmenopausal hormone receptor-positive breast cancer patients receiving letrozole treatment in the Evaluate-TM study.“ und Prof. Jörg Heil für „Can a pathological complete response of breast Cancer after neoadjuvant chemotherapy be diagnosed by minimal invasive biopsy? A proof of concept from a prospective cohort study.“ ausgezeichnet. Erstmals wurde von der DGS der Dissertationspreis an Dr. Stefanie Corradini, München, verliehen. Darüber hinaus wurden sieben Posterpreise und 34 Absolventinnen und Absolventen des Fortbildungsprogramms der Deutschen Akademie für Senologie beglückwünscht.
Neue Therapie- und Behandlungswege
In jedem Segment der Senologie hat sich viel getan. Auf der Jahrestagung wurde das gesamte Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten präsentiert. Auf eine Chemotherapie ist momentan noch nicht zu verzichten, sie wird jetzt nur sehr viel zielgerichteter eingesetzt. Zuvor untersuchen Pathologen genau, ob der Tumor auch darauf anspricht. Die Nebenwirkungen werden von Anfang an adäquat mit behandelt. Mehr als 70 Prozent der Frauen werden brusterhaltend operiert, in Verbindung mit einer Strahlentherapie. Dank neuer technische Möglichkeiten werden heute Tumoren unter Ultraschallsicht operiert. Das erhöht die Sicherheit, nur so viel Gewebe wie nötig zu entnehmen.
Kontrovers diskutiert wurde beispielsweise die Frage, ob Frauen im Deutschen Mammographiescreeningprogramm ihre Brustdichte mitgeteilt werden sollte oder nicht. Nach einer Pro-/Contra-Diskussion einigten sich die Teilnehmer, dass das bisherige Screeningprogramm für spezielle Patientinnengruppen weiterentwickelt werden solle. Insbesondere sollten künftig Patientinnen mit einer besonders hohen Dichteklasse (ACR4) ihre Brustdichte erfahren und gezielte Empfehlungen zu weiteren möglichen Diagnose- und Therapieverfahren erhalten.
Hier lautete das Credo: „Weg von der One-fits-all-Therapie“.
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