30. Juni 2014 - Brustkrebskongress erfolgreich beendet: Senologen sehen Fortschritte auf hohem Niveau
Berlin, Juni 2014 – Brustkrebs wird in Deutschland immer frühzeitiger diagnostiziert, die Therapie hat sich in den letzten Jahren weiter verfeinert und die Überlebenschancen liegen im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau. Die von über 2.500 Experten besuchte Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie, die im Juni in Berlin stattfand, ist als interdisziplinäres Forum etabliert. In über 450 Vorträgen diskutierte man die neuesten Erkenntnisse des Fachgebietes. Großen Raum nahm dabei auch die aktuelle Debatte um das Mammographie-Screening-Programm (MSP) ein, die mit vielen Fakten kenntnisreich geführt wurde. Die Deutsche Gesellschaft für Senologie (DGS) zieht am Ende ihres Jahreskongresses in Berlin eine positive Bilanz für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Brust und rechnet in den nächsten Jahren mit weiteren Verbesserungen.
Die aktuelle Debatte über das Mammographie-Screening-Programm (MSP) in Deutschland und weltweit fand nicht nur im wissenschaftlichen Programm, sondern auch in vielen Gesprächen am Rande der Tagung statt. „In Deutschland gibt es 94 Referenzzentren für das Mammographie-Screening, ein Zentrum ist nun in der Kritik – dies darf aber nicht zu einer Welle führen, die das ganze Programm infrage stellt“, plädiert Professor Dr. med. Rüdiger Schulz-Wendtland, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie und Radiologe am Universitätsklinikum Erlangen, für eine Versachlichung der Debatte. Das oft zitierte Votum des „Swiss Medical Board“ ist als Expertenmeinung mit „niedrigem“ Evidenzlevel einzuschätzen im Gegensatz zu Metaanalysen und systematischen Reviews, die sich auf eine große Datenbasis beziehen (z.B. unabhängiges UK-Panel 2012, Nickson et al. 2012, EUROSCREEN 2012, Health Council of the Netherlands). Die Daten von EUROSCREEN belegen eine Mortalitätsreduktion bei Screening-Teilnehmerinnen (gegenüber Nicht-Teilnehmerinnen) von ca. 43% (8 gerettete Leben pro 1.000 Teilnehmerinnen) und eine Rate von ca. 6,5% Überdiagnosen. „Ich kann Frauen daher nur raten, weiterhin Früherkennung durchführen zu lassen und zwar in einem qualitätsgesichertem System wie dem Mammographie-Screening-Programm.“, fasst Professor Dr. med. Sylvia Heywang-Köbrunner, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie München die Studienlage zusammen.
Qualitätssicherung ist das Stichwort mit dem das strukturierte MSP eingeführt wurde, in der Therapie des Mammakarzinoms ist die Qualitätssicherung mit dem Aufbau der zertifizierten Brustzentren (nach DKG/DGS) gelungen. Die interdisziplinär arbeitenden Brustzentren folgen durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) und die Deutsche Gesellschaft für Senologie (DGS) festgelegten Qualitätsindikatoren und haben so einen Goldstandard für die Behandlung von Brustkrebspatientinnen gesetzt: Über 92% der Patientinnen lassen sich mittlerweile in zertifizierten Brustzentren behandeln, die auf über 80% gestiegene Heilungsquote beim primären Mammakarzinom zeigt den deutlichen Erfolg dieser vor 10 Jahren entwickelten Maßnahme. „Die zertifizierten Brustzentren haben nicht nur die Prognosen für die Brustkrebspatientinnen verbessert, sondern dienen auch als Blaupause für alle Organkrebszentren, die gemäß dem Nationalen Krebsplan in die Versorgung eingeführt werden“, führt Professor Dr. med. Diethelm Wallwiener, Vize-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie und Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Tübingen, das Thema aus.
Nebenwirkungen invasiver Therapien oder gar unnötige Therapien zu vermeiden, ist das Ziel der personalisierten Therapien in der Brustkrebsbehandlung. Neben lokalen therapeutischen Maßnahmen (Operation, Bestrahlung) kommen bei der Behandlung von Brustkrebs systemische, also medikamentöse Therapien zum Einsatz (endokrine Therapie, HER2-zielgerichtete Therapie und Chemotherapie). Dabei schätzen prognostische Biomarker den Krankheitsverlauf ein und beantworten die Frage, wer eine systemische Behandlung benötigt. Prädiktive Faktoren hingegen dienen zur Abschätzung der Effektivität einer spezifischen Therapie und sagen uns, welche Therapie die richtige ist. Allen Biomarkern ist zudem gemeinsam, dass sie im Kontext der jeweiligen Krankheitssituation interpretiert werden müssen. „Wir dürfen uns nicht vom Marktdruck zu Entscheidungen drängen lassen. Erste Ergebnisse aus großen prospektiven Studien (MINDACT, ADAOT; TailorX, PlanB), wie sicher die Entscheidung für die jeweilige Patientin ist, keine systemische Therapie zu benötigen, erwarten wir für 2015. Bis dahin sollten wir die Tests nicht generalisiert anwenden, sondern nur in einer individuellen Studien- oder Beratungssituation empfehlen“, betont Professor Dr. med. Sara Y. Brucker, Ärztliche Direktorin am Forschungsinstitut für Frauengesundheit der Universitäts-Frauenklinik Tübingen und Herausgeberin der Zeitschrift Senologie.
Tumor ist nicht gleich Tumor – diese Erkenntnis der letzten Jahre, die unterschiedliche Therapien ermöglicht, verdankt sich auch der Unterscheidung von Subtypen des Mammakarzinoms durch den Pathologen. Durch neue molekulargenetische Methoden ist es seit einigen Jahren möglich, die Expression aller Gene im Tumorgewebe zu bestimmen. Mit der Methode der sogenannten Hochdurchsatz-Sequenzanalyse können zusätzlich alle Mutationen im Tumorgewebe bestimmt werden. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten der genetischen Analyse beim Mammakarzinom. „Statt der vier Tumortypen, die bisher unterschieden wurden, gehen wir nun von acht bis zehn unterschiedlichen molekularen Brustkrebstypen aus“, präzisiert Professor Arndt Hartmann, Kongresspräsident 2014 der DGS und Direktor des Pathologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen. „Diese Brustkrebstypen zuverlässig diagnostisch einzuordnen, ist unsere Herausforderung in den kommenden Jahren. Wir wollen die Tumoren an ihrer genetischen Achillesverse packen, wie wir das bei HER2 positiven Tumoren bereits können.“, so Hartmann. Allerdings wird die Arbeit der Pathologen seit 2012 durch die Bedarfsplanung erschwert – die Niederlassung ist nahezu unmöglich geworden und auf die niedrigste Zahl von Pathologen pro Einwohner (1:60.000!) in Europa eingefroren.
Von einer Zukunftsvision für die Strahlentherapie berichtete Professor Dr. med. Rita Engenhart-Cabilic, Schriftführerin der Deutschen Gesellschaft für Senologie und Direktorin der Abteilung für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Gießen/Marburg: „Die Partikelstrahlentherapie mit Protonen und Kohlenstoffionen ist eine neue Form der perkutanen (=durch die Haut gehenden) Strahlentherapie. Beide Partikel ermöglichen aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften eine besonders präzise räumliche Dosisverteilung. Dadurch kann die Bestrahlungsdosis in gesunden Organen reduziert werden – auch wenn sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tumor befinden.“ Durch diese besonderen physikalischen und biologischen Eigenschaften der Partikel erhoffen sich die Radioonkologen eine Verringerung der therapiebedingten Nebenwirkungen und eine noch bessere Chance der Tumorheilung als bisher bereits möglich. Allerdings ist noch kein Zugang für die allgemeine Versorgung möglich: „Die Partikelstrahlentherapie ist bislang keine vollständig evaluierte und keine evidenzbasierte Standardtherapie. Die Partikelstrahlentherapie kann – mit wenigen Ausnahmen – daher im Moment nur innerhalb klinischer Studien erfolgen und wird erst an wenigen universitären Zentren durchgeführt.“, so Engenhart-Cabilic.
„Die Erfolge in der der Therapie der HER2 positiven Mammakarzinome durch zielgerichtete Therapie mit Trastuzumab werden mittlerweile durch drei weitere Substanzen ergänzt, die zum Beispiel bei Resistenz noch wirksam sind bzw. in Kombination mit Trastuzumab die Ergebnisse verbessern.“, benennt Professor Hans Tesch, Co-Kongresspräsident 2014 und Arzt in der Hämatologisch-Onkologischen Gemeinschaftspraxis am Bethanien-Krankenhaus Frankfurt a.M. weitere Fortschritte in der systemischen Therapie. Die Substanzen sind der Tyrosinkinase Inhibitor Lapatinib, der den HER2 Rezeptor an der Kinasedomäne in der Zelle hemmt; der Antikörper Pertuzumab, der ähnlich wie Trastuzumab den HER2 Rezeptor bindet, jedoch an einer anderen Bindungsstelle angreift sowie TDM1, ein Konjugat aus dem Trastuzumab-Antikörper, an den chemisch ein Zytostatikum gekoppelt ist. Dadurch ist das Konjugat deutlich wirksamer als der Antikörper allein und bringt das Zytostatikum zielgerichtet in die Tumorzelle hinein. Diese drei Substanzen stehen beispielhaft für eine neue Generation zielgerichteter Therapiestrategien, die in großen klinischen Studien weiterentwickelt wurden und schrittweise die Therapieergebnisse verbessert haben. In den nächsten Jahren werden weitere Substanzen folgen. „Noch stehen sie nicht allen Patientinnen offen. Aber wir sind auf dem richtigen Weg – von der Biologie der Tumorzelle bis in die Klinik, um den Kampf gegen den Krebs zu gewinnen.“ fasst der Onkologe Tesch zusammen.
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