Aktuelle Kontroversen zur Therapie des HER2-pos metastasierten Mammakarzinom
Univ.-Prof. Dr. med. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrums der Universität München (LMU)
Die Therapie des metastasierten Mammakarzinoms hat in den letzten Jahren gerade bei den insgesamt ca. 15 bis 20 Prozent HER2-positiven Tumoren große Fortschritte gemacht. Moderne Antikörpertherapien verbessern die Überlebenschancen der Patientinnen in einem nie zuvor gesehenen Ausmaß. In der ersten Therapielinie nach dem Auftreten von Fernmetastasen verlängert die doppelte Antikörperblockade (Trastuzumab und Pertuzumab) gemeinsam mit einer Chemotherapie das Überleben im Median um über ein Jahr gegenüber der einfachen Antikörperblockade mit Trastuzumab. In der Zweitlinientherapie führt ein Antikörper, an den eine Chemotherapie direkt gekoppelt ist (T-DM1), ebenfalls zu einer Überlebensverlängerung und dies bei sehr geringen Nebenwirkungen, da die Chemotherapiekomponente erst in der Tumorzelle freigesetzt wird. Dieses Antikörper-Medikamenten-Konjugat (ADC) entspricht den schon von Paul Ehrlich Anfang des 20. Jahrhunderts beschriebenen „Zauberkugeln“ und stellt einen großen Fortschritt bei der Brustkrebstherapie dar. Auch für spätere Therapielinien beim HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom gibt es noch weitere wirksame, zielgerichtete Therapiemöglichkeiten. All diese Fortschritte stehen unseren Patientinnen in Deutschland heute in der Regelversorgung zur Verfügung.
Bei so viel Fortschritt bleiben trotzdem noch viele unbeantwortete Fragen in dieser Erkrankungssituation. Müssen alle Patientinnen von Anfang an mit Chemotherapie behandelt werden oder ist die Antikörpertherapie alleine oder gemeinsam mit einer Antihormontherapie ausreichend. In den letzten Jahren haben wir verstanden, dass die Hormonempfindlichkeit gerade auch bei HER2-positiven Tumoren eine wichtige Rolle spielt. Der Stellenwert von Kombinationen zwischen Antikörpertherapie und Antihormontherapie wird derzeit in Studien wie der CHEVENDO Studie (Studienleiter: Prof. Huober, Ulm) untersucht.
Weitere offene Fragen sind unter anderem, ob es wichtig ist, dass von Anfang an die bestmögliche Therapie verabreicht wird oder ob die Gabe wirksamer Einzeltherapien nacheinander auch vorteilhaft ist? Was machen wir mit Patientinnen, die bereits bei der Erstdiagnose eine doppelte Antikörperblockade erhalten haben – können wir den Tumor in der metastasierten Situation nochmals mit derselben Therapie wirksam zurückdrängen?
Eine wichtige Frage in der Klinik ist auch die Behandlung von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom, die Hirnmetastasen entwickeln. Etwa 15 bis 30 Prozent der Patientinnen werden Hirnmetastasen entwickeln, die dann in der Regel einer Strahlentherapie zugeführt werden. Ob hier die Antikörpertherapien gleichermaßen wirken ist nicht sicher. Erste Daten deuten jedoch darauf hin, dass dies der Fall ist und die Patientinnen auch mit Hirnmetastasen von den modernen Therapien wie T-DM1 profitieren können.
In den derzeit laufenden klinischen Studien haben Patientinnen mit HER2-positiver metastasierter Mammakarzinom Erkrankung die Chance, Zugang zu neuen Therapien oder Therapiekonzepten – bereits lange vor Zulassung – zu bekommen. Gerade auch die Rolle von Immuntherapien zusätzlich zur HER2-gerichteten Therapie, wird derzeit in Deutschland im Rahmen von Studien untersucht. Deshalb ist die Versorgung metastasierter Brustkrebspatientinnen an spezialisierten Brustzentren oder onkologischen Praxen, die in diese Brustkrebsnetzwerke eingebunden, sind so wichtig. Hier werden die Therapiekonzepte interdisziplinär festgelegt, sodass die Patientinnen sicher sein können, leitliniengerecht auf dem Boden der neuesten Erkenntnisse, optimal behandelt zu werden.
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Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. med. Nadia Harbeck
Leitung des Brustzentrums der Universität München
Postadresse: Brustzentrum, Universitätsfrauenklinik
Klinikum Großhadern
Marchioninistr. 15
81337 München
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Internet: www.klinikum.uni-muenchen.de/Brustzentrum/de