30.08.2018 | 2018

Biosimilars: Ähnliche Struktur, gleiche Wirkung?

Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss, Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg
Prof. Dr. med. Markus Wallwiener, MHBA, Geschäftsführender Oberarzt, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg

Bei der Behandlung von Patienten mit Krebserkrankung werden zunehmend Biosimilars eingesetzt. Biosimilars sind – anders als Generika – keine exakten Kopien des Referenzprodukts, da es sich um biologische Arzneimittel handelt. Mehrere monoklonale Antikörper durchlaufen derzeit auch für die Behandlung von gynäkologischen Tumoren das Zulassungsverfahren.

Antikörper sind in der Therapie des Mammakarzinoms seit Jahren etabliert. Der erste zugelassene Antikörper für die Indikation HER2-positives Mammakarzinom war das gegen den humanen epidermalen Wachstumsrezeptor-2 (HER2) gerichtete Trastuzumab. Zwischenzeitlich wurde auch Pertuzumab für die neoadjuvante und metastasierte Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms zugelassen. Durch die Einführung dieser Antikörper konnte das Überleben dieser Patientenpopulation deutlich verbessert werden. Gesundheitsökonomisch sind diese Präparate jedoch mit einer signifikanten Kostensteigerung der Therapien assoziiert. Biosimilars bieten an dieser Stelle einen potenziellen Kostenvorteil mit kumulativem Einsparpotential von bis zu 110 Milliarden Euro (USA und Europa auf fünf Jahre prognostiziert).[1]

Der Entwicklungsprozess von Biosimilars
Die EMA-Guidelines zur Entwicklung der Biosimilars definieren Biosimilars als Version des Originators, die auf Basis umfassender Vergleichbarkeitsstudien zu Qualitätskriterien, biologischer Aktivität, Sicherheit und Wirksamkeit zugelassen wird. [2] 
Große Proteine wie therapeutische Antikörper werden in komplexen biotechnologischen Verfahren in lebenden Zellen produziert. Voraussetzung für die Entwicklung eines Biosimilars ist die biochemische Charakterisierung des Referenzproduktes, um die maximale Annäherung an das entsprechende Biologikum und die bestmögliche Wirkweise zu gewährleisten. Zu den untersuchten Eigenschaften der Originalsubstanz gehören Primärstruktur, biologische Funktion sowie Eigenschaften des finalen Arzneimittelproduktes inklusive der Wirkstärke. Die Entwicklung eines Biosimilars bis zur Etablierung in der Klinik findet im Vergleich zum Referenzprodukt stark beschleunigt statt: Zunächst zeigen die präklinischen Daten die Biosimilarität zum Referenzprodukt (Wirksamkeit oder Sicherheit). Am Ende des Prozesses stehen in der Regel nur wenige Studien (bzw. häufig sogar nur eine klinische Studie der Phase III), die die Vergleichbarkeit des Biosimilars in einer sensitiven Population bezüglich eines Surrogatendpunktes für das Überleben in vorgegebenen Grenzen bestätigen müssen. Hier sind die sensitive Patientenpopulation und der Surrogatendpunkt für das Überleben wichtig, bei denen sich am ehesten ein potenzieller Unterschied durch die Verabreichung des Biosimilars zeigen würde, wie zum Beispiel in der pCR-Rate (pathologische Komplettremission) nach neoadjuvanter Therapie beim HER2-positiven Mammakarzinom.

Das Ergebnis dieser abschließenden Bioäquivalenzstudien wird durch vordefinierte Grenzen des Äquivalenzbereichs des Surrogatendpunktes bestimmt. Dieser Äquivalenzbereich gibt vor, in welchem Bereich der Surrogatendpunkt liegen darf, um eine Vergleichbarkeit des Biosimilars gegenüber der Originalsubstanz anzunehmen. Biosimilare monoklonale Antikörper haben nach erfolgter Zulassung den gleichen internationalen Freinamen wie ihre Referenzsubstanzen.

Einsatz der Biosimilars im klinischen Alltag 
Im Rahmen des Patentablaufs von Trastuzumab wurden bereits eine Reihe von Biosimilar-Studien mit Anti-HER2-Antikörpern vorgestellt. Für die Evaluierung der Biosimilarität wird dabei am häufigsten die Neoadjuvanz als Szenario gewählt und die Äquivalenz der Trastuzumab-Biosimilars bezüglich der pCR gewertet. Das Nebenwirkungsprofil muss sich dabei als äquivalent zur Originalsubstanz darstellen. Auch nach der Zulassung unterliegen die Biosimilars aber einer zusätzlichen Überwachung (wie jedes neu eingeführte Präparat), um eine schnelle Erfassung neuer Erkenntnisse zur Sicherheit zu gewährleisten. In 2018 wird mit der Einführung von vier verschiedenen Antikörpern in Deutschland gerechnet.

Der Einsatz von biosimilaren Antikörpern wird bereits in zahlreichen Stellungnahmen von Fachgesellschaften (ASCO, ESMO, AKDÄ, ADKA und anderen) befürwortet, in denen festgestellt wird, dass biosimilare Antikörper hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit gemäß ihrer Definition durch die EMA gleichwertige Alternativen zum entsprechenden Referenzarzneimittel sind und die evidenzbasierte Bewertung sowie Auswahl der Biosimilars in Zusammenarbeit aller Berufsgruppen zu erfolgen hat. Bei der Verordnung von Biosimilars müssen natürlich die Patienten angemessen über das biologische Arzneimittel und den Unterschied zwischen einem Original und einem Biosimilar informiert werden.

In den Fachgesellschaften herrscht Konsens, dass die Entscheidung über den Einsatz von Biosimilars gegenüber dem originalen Antikörper beim Therapeuten liegt und keine automatische Substitution erfolgen darf. Weiterhin gilt es, die klinische Implementierung mittels Fortbildungskonzepten und klinischen Registern zu begleiten. Der Einsatz von Biosimilars hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Gesundheitssystem, da sich Kosten einsparen lassen und der wissenschaftliche Wettbewerb Therapeuten und Patienten neuen Therapieinnovationen zur Verfügung stellen kann.

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Kontakt:
Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss
Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie 
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen 
Universitäts-Klinikum 
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
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Internet: www.nct-heidelberg.de

Prof. Dr. med. Markus Wallwiener, MHBA
Geschäftsführender Oberarzt
Universitäts-Frauenklinik
Im Neuenheimer Feld 440 
69120 Heidelberg
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Internet: www.klinikum.uni-heidelberg.de/Universitaets-Frauenklinik.331.0.html