12.09.2018 | 2018

Die prophylaktische Mastektomie: Langfristig eine Kostenersparnis?

Prof. Dr. med. Michael Patrick Lux, Stellvertretender Direktor Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen-Europäische Metropolregion Nürnberg (CCC ER-EMN)

Es wird davon ausgegangen, dass ca. 25 Prozent aller Mammakarzinome genetisch bedingt sind. Im Falle einer Mutation im BRCA1-Gen liegt das kumulative Risiko bis zum siebzigsten Lebensjahr zu erkranken bei 65 Prozent für das Mammakarzinom und 40 Prozent für das Ovarialkarzinom. Unter der Annahme, dass ca. drei bis acht Prozent aller Mammakarzinome auf eine BRCA-Mutation zurückzuführen sind, entstehen pro Jahr 2.000 bis 5.000 BRCA assoziierte Mammakarzinome in Deutschland. Somit ist die entsprechende Identifizierung von Risikopatientinnen essenziell. Neben der intensivierten Früherkennung stehen prophylaktische Operationen wie die prophylaktische Mastektomie oder Adnexektomie nach Abschluss der Familienplanung zur Verfügung. Hierdurch kann das Erkrankungsrisiko weit über 90 Prozent gesenkt werden. Allerdings werden diese Optionen von Patientinnen noch selten wahrgenommen und von ihren betreuenden Ärztinnen und Ärzten reduziert unterstützt.

Eine europäische Studie zeigte, dass nur 27 Prozent der Allgemeinmediziner die prophylaktische Mastektomie als eine Option für nicht-erkrankte BRCA-Mutationsträgerinnen sah. Dieser Wert liegt in anderen europäischen Ländern deutlich höher. Des Weiteren erfahren die genetische Testung und die Einleitung von prophylaktischen Maßnahmen auch Widerstand von den Kostenträgern. Die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass die genetische Testung und prophylaktische Operation Kosten verursachen, langfristig können sie jedoch Folgekosten durch die Vermeidung von Mamma- und Ovarialkarzinomen reduzieren. Es stellt sich die Frage, welche Seite überwiegt.

Hierzu wurde eine gesundheitsökonomische Evaluation des Kollektivs der interdisziplinären Tumorrisikosprechstunde des Universitäts-Brustzentrums Franken durchgeführt. Es wurden sowohl die notwendigen personellen Ressourcen als auch die Kosten anhand von Kostenträgerrechnungen ermittelt. In Bezug auf die Kostenerlössituation zeigte sich für die genetische Testung eine Kostendeckung. Die intensivierte Früherkennung an einem zertifizierten Brustzentrum führt allerdings zu einer Unterdeckung von 466 Euro pro Jahr und Patientin. Auch die prophylaktische Mastektomie mit primärer Rekonstruktion führte zu einem deutlichen negativen Ergebnis von bis zu -4.470 Euro für den Leistungserbringer. Nur bei der alleinigen Mastektomie oder der Mastektomie mit einer sekundären Rekonstruktion durch Eigengewebe konnte ein positives Ergebnis aus Sicht des Leistungserbringers berechnet werden. Da es sich hierbei um nicht erkrankte Frauen handelt, ist sowohl das zweiseitige Vorgehen als auch die alleinige Mastektomie ohne Rekonstruktion keine adäquate Option.

Im Falle der Mastektomie mit primärer Rekonstruktion und synchroner Adnexektomie steigerte sich die Unterdeckung in der Kalkulation deutlich. Für den Leistungserbringer ist das Betreuungskonzept meist defizitär. Zuschläge wären für eine flächendeckende Versorgung erforderlich. Diese werden durch die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Berechnung aus der Sicht des Gesundheitssystems unterstützt. Am Beispiel eines Kollektivs mit 70 BRCA1- bzw. BRCA2-Mutationsträgerinnen können trotz der Kosten für die Operationen langfristig Kosten von 240.000 Euro eingespart werden. In Bezug auf die prophylaktische Adnexektomie wäre langfristig sogar eine Kostenersparnis von 1,6 Millionen Euro anhand dieses Kollektivs möglich. Im Folgenden wurden die Kosten pro gewonnenes Lebensjahr ermittelt. Im Falle einer 30-jährigen Mutationsträgerin mit Mastektomie und einer verzögerten Adnexektomie nach Abschluss der Familienplanung können 7,2 Lebensjahre gewonnen werden. Hieraus resultieren Kosten von 2.174 Euro pro gewonnenem Lebensjahr. Verglichen mit anderen Therapien, wie zum Beispiel moderner onkologischer Systemtherapien, welche oftmals 100.000 Euro pro gewonnenem Lebensjahr kosten, handelt es sich um eine gesundheitsökonomisch sinnvolle Maßnahme.

Die genetische Testung mit nachfolgender prophylaktischer Operation ist aus Sicht des Gesundheitswesens eine absolut kosteneffektive Maßnahme und sollte sowohl von den betreuenden Ärztinnen und Ärzten als auch den Kostenträgern unterstützt werden. Notwendige Ziele sind die Umsetzung von flächendeckenden Screeninginstrumenten in Praxen, die Erweiterung des aktuell eingeschränkten Zugangs zur genetischen Beratung und Testung und die Lösung der aktuell problematischen Finanzierung der intensivierten Früherkennung und prophylaktischen Operationen aus Sicht des Leistungserbringers.

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Literatur:

Schrauder MG, Brunel-Geuder L, Häberle L, Wunderle M, Hoyer J, Reis A, Schulz-Wendtland R, Beckmann MW, Lux MP. Cost-effectiveness of risk-reducing surgeries in preventing hereditary breast and ovarian cancer. Breast 2017;32:186-191

Kontakt:

Prof. Dr. med. Michael Patrick Lux
Stellvertretender Direktor
Frauenklinik
Universitätsklinikum Erlangen
Universitätsstraße 21-23
91054 Erlangen
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Internet: www.frauenklinik.uk-erlangen.de