27.09.2019 | 2019

Erste medikamentöse Präventionsstudie bei erblichem Brustkrebs

PD Dr. med. Kerstin Rhiem, Leitende Oberärztin und Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, Uniklinik Köln, Deutsches Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs

Frauen, bei denen eine Genveränderung (Mutation) in einem Hochrisikogen für Brust- und Eierstockkrebs (BRCA1 und BRCA2) nachgewiesen wurde, tragen ein Risiko von bis zu 70 % im Laufe des Lebens an Brustkrebs und von 20 bis 40 % an Eierstockkrebs zu erkranken. Bislang sind vorbeugende Operationen, d. h. die Entfernung der gesunden Organe (Brustdrüsengewebe und Eierstöcke/Eileiter), die einzige wirksame Möglichkeit, um das Krebsrisiko zu reduzieren. Fraglos handelt es sich bei diesen Eingriffen um radikale Maßnahmen für die Betroffenen, die mit Risiken einhergehen können und nicht selten Nebenwirkungen und negative Langzeitfolgen mit sich bringen.

Mutationsträgerinnen können zum Umgang mit ihrem Brustkrebsrisiko prinzipiell zwei Strategien wählen. Neben der Risikoreduktion durch die vorbeugende Operation können sie sich zu intensivierten Früherkennungsmaßnahmen entscheiden, die allerdings für den Eierstockkrebs nicht zur Verfügung stehen. In den Zentren des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs erhalten die Betroffenen in nicht-direktiven Beratungsgesprächen die notwendigen Informationen, um eine präferenzsensitive Entscheidung über die präventiven Optionen treffen zu können. In zahlreichen Forschungsprojekten werden dazu Unterstützungen und Hilfen aller Art entwickelt und evaluiert (z. B. Patientenentscheidungshilfen/Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen, Entscheidungscoaching/Förderung im Innovationsfonds).

Nun konnte von Forschergruppen um den Wiener Forscher Josef Penninger (Institut für Biomolekulare Analysen, IMBA, Wien, Österreich) und von der Universität in Melbourne (Geoffrey Lindeman, Department of Medicine, University of Melbourne and Familial Cancer Center, Parkville, Victoria, Australia) erstmals ein Ansatz für eine nicht-operative Alternative zur Brustkrebs-Risikoreduktion bei BRCA1-Mutationsträgerinnen gezeigt werden. Hierbei handelt es sich um ein bereits seit Jahren zur Behandlung von Osteoporose eingesetztes Medikament, einen monoklonalen Antikörper aus der Gruppe der RANK-Ligand-Inhibitoren. Zunächst wurde in Tierversuchen gezeigt, dass die Entwicklung von Brustkrebs bei Tieren mit einer BRCA1-Mutation reduziert bzw. verhindert werden konnte.

Die Daten aus diesen ersten Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass diese vielversprechende Präventionsstrategie bei Frauen mit einer BRCA1-Mutation einen vergleichbaren Effekt hervorrufen kann. Gleichzeitig wird mit der Substanz dem Knochenabbau entgegengewirkt, der bei diesen Frauen z. B. durch die prämenopausale vorsorgliche Entfernung der Eierstöcke eintreten kann. Die Nebenwirkungen sind verglichen mit denen einer vorsorglichen Brustdrüsenentfernung als gering anzusehen. Bisherige medikamentöse Ansätze zur Risikoreduktion von Brustkrebs bei gesunden Frauen mittels antihormoneller Substanzen konnten aufgrund der Nebenwirkungen nicht erfolgreich umgesetzt werden.

Eine internationale Studie, die in Deutschland, Österreich (internationale Leitung), England, Spanien, Israel und den USA durchgeführt wird, soll nun den risikoreduzierenden und knochenschützenden Effekt bei gesunden BRCA1-Mutationsträgerinnen zwischen 25 und 55 Jahren untersuchen. Sie dürfen sich zuvor keiner vorbeugenden Brustoperation, wohl aber einer vorsorglichen Eierstock- und Eileiterentfernung unterzogen haben. Im Rahmen der Studie erhalten sie für die Dauer von fünf Jahren alle sechs Monate eine Spritze und werden besonders genau auf das Auftreten einer Krebserkrankung und möglicher Nebenwirkungen untersucht. Erstmals steht damit ein nebenwirkungsarmes und nicht-operatives Angebot zur Risikoreduktion für Brustkrebs bei BRCA1-Mutationsträgerinnen zur Verfügung.

Die Studie wird unter der Leitung des Kölner Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs (https://familiaerer-brust-und-eierstockkrebs.uk-koeln.de/; Prof. Dr. Rita Schmutzler, PD Dr. Kerstin Rhiem) in Zentren des Deutschen Konsortiums in Kooperation mit deren Partnerzentren (https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/) voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2019 starten können.

Literatur:

1. Sigl V, Owusu-Boaitey K, Joshi PA, Kavirayani A, Wirnsberger G, Novatchkova M, Kozieradzki I, Schramek D, Edokobi N, Hersl J, Sampson A, Odai-Afotey A, Lazaro C, Gonzalez-Suarez E, Pujana MA, Cimba F, Heyn H, Vidal E, Cruickshank J, Berman H, Sarao R, Ticevic M, Uribesalgo I, Tortola L, Rao S, Tan Y, Pfeiler G, Lee EY, Bago-Horvath Z, Kenner L, Popper H, Singer C, Khokha R, Jones LP, Penninger JM. RANKL/RANK control Brca1 mutation- . Cell Res. 2016 Jul;26(7):761-74. doi: 10.1038/cr.2016.69. Epub 2016 May 31.
2. Nolan E, Vaillant F, Branstetter D, Pal B, Giner G, Whitehead L, Lok SW, Mann GB; Kathleen Cuningham Foundation Consortium for Research into Familial Breast Cancer (kConFab), Rohrbach K, Huang LY, Soriano R, Smyth GK, Dougall WC, Visvader JE, Lindeman GJ. RANK ligand as a potential target for breast cancer prevention in BRCA1-mutation carriers. Nat Med. 2016 Aug;22(8):933-9. doi: 10.1038/nm.4118. Epub 2016 Jun 20.

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Kontakt:

PD Dr. med. Kerstin Rhiem
Leitende Oberärztin und Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs
Uniklinik Köln
Kerpener Str. 34
50931 Köln
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Internet: https://familiaerer-brust-und-eierstockkrebs.uk-koeln.de/zentrum/direktorin-team/oberaerztinnen/