30.08.2018 | 2018

Integration genomischer Daten in die Entscheidungsfindung

Prof. Dr. med. Peter A. Fasching, Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Universitäts-Brustzentrum Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen-Europäische Metropolregion Nürnberg (CCC ER-EMN)

Vor mehr als 15 Jahren wurde die komplette Sequenz des menschlichen Genoms veröffentlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Wissenschaft hauptsächlich mit dem Verständnis der Struktur des Genoms beschäftigt – nach der Veröffentlichung dann ebenfalls mit der Funktion und in den letzten zehn Jahren hauptsächlich mit der Bedeutung der Funktion für menschliche Krankheiten. Das erklärte Ziel für die nahe Zukunft muss sein, dieses Wissen für die Behandlung von Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen. Mit dem Wissen um die genetische Grundlage von Zellen, Organsystemen, Organismen und Krankheiten stehen die Grundlagen für das Verständnis der Transkription und Translation sowie der danach vollzogenen Modifikationen wie Glykolisierung und Phosphorylisierung zur Verfügung. In den letzten Jahrzehnten sind einige Medikamente entwickelt worden, welche sich auf spezifische genetische Veränderungen beziehen.

Beim Mammakarzinom sind bereits sehr früh zielgerichtete Therapien entwickelt worden. Die antihormonelle Therapie und die anti-HER2-Therapie sind solche Beispiele, wobei die Anti-HER2-Therapie eines der ersten Beispiele ist, bei denen eine genetische Alteration, nämlich die Amplifikation, mit einer verschlechterten Prognose assoziiert werden konnte. Diese genetische Veränderung der Tumorzelle konnte auch als ein deutlicher Prädiktor für die Wirksamkeit der Trastuzumab-Therapie etabliert werden. Die antihormonelle Therapie ist auf der Basis der Genexpression von Hormonrezeptoren etabliert worden. Vor Kurzem konnten jedoch auch für diese Therapie Mutationen im Östrogenrezeptor mit einer Resistenz gegen eine Anti-Hormontherapie beim Mammakarzinom in Verbindung gebracht werden. Ein weiteres Beispiel sind Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2, welche nicht nur einen starken Einfluss auf die Expression der Gene des Östrogenrezeptors, des Progesteronrezeptors und von HER2 haben und bei Patientinnen mit BRCA1 Mutation in mehr als 50 Prozent der Fälle in ein sogenanntes tripelnegatives Mammakarzinom münden, sondern welche auch Prädiktoren für eine Therapie mit einem sogenannten PARP-Inhibitor sind. Diese Beispiele sind Indikatoren dafür, dass genomische Muster eine große Rolle bei der Pathogenese, der Progression und deswegen auch bei der Therapie des Mammakarzinoms spielen.

Auch bei Karzinomen in anderen Organen sind genomische Muster als Grundlage für moderne zielgerichtete Therapien etabliert worden. Genetische Veränderungen in ALK1, ROS1 oder EFGR sind wegweisend für zielgerichtete Therapien beim Lungenkarzinom (z.B. Crizotinib, Alectinib, Afatinib, Erlotinib und Gefitinib) und Mutationen in BRAF Indikation für eine Therapie beim Melanom (z.B. Dabrafenib, Vemurafenib oder Trametinib). BRAF-Mutationen sind ein Beispiel dafür, dass sie auch bei der Entdeckung von Karzinomen in anderen Organen eine gewisse Wirksamkeit zeigen können, wie in einer Studie des Memorial Sloan Kettering Cancer Centers nachgewiesen werden konnte. Leider waren in dieser Studie kaum Patientinnen mit einem Mammakarzinom enthalten. Nun stellt sich die Frage, inwieweit Therapien, die bei Karzinomen anderer Organe bereits zugelassen sind, für Patientinnen mit einem Mammakarzinom genutzt werden können. Selbstverständlich sollen Standardtherapien Patientinnen mit einem Mammakarzinom nicht vorenthalten werden oder zu einem späteren als dem empfohlenen Zeitpunkt geben werden. Die Etablierung eines solchen Vorgehens müsste bei Patientinnen stattfinden, die bereits die Standardtherapien ausgeschöpft haben und bei denen eine nachgewiesene Mutation vermutlich mit dem Progressionsverhalten des Tumors in Verbindung gebracht werden kann. Außerdem müssen solche Maßnahmen unter Studienbedingungen vollzogen werden, d.h. am besten findet die Auswahl der Patientinnen unter Studienbedingungen statt ebenso wie die Therapie.

In Deutschland wird eine solche Patientenauswahl auf der Basis von genetischen Veränderungen, z.B. vom multizentrischen PRAEGNANT-Netzwerk oder durch das CATCH/COGNIOTION-Programm am Nationalen Center für Tumorerkrankungen in Heidelberg durchgeführt. Nur durch solche geplanten, am Outcome orientierten Programme kann der Stellenwert genomischer Daten bei der Entscheidungshilfe für Therapien sicher für die Patientinnen etabliert werden.

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Kontakt:

Prof. Dr. med. Peter A. Fasching 
Frauenklinik 
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