01.11.2017 | 2017

Netze/Matrices – Ein Segen für die Mammachirurgie?

Dr. med. Uwe von Fritschen, Chefarzt der Klinik für Plastische- und Ästhetische Chirurgie HELIOS Klinikum Emil von Behring Berlin

Autologe Rekonstruktionen erzielen bei der Brustrekonstruktion eine höhere Patientenzufriedenheit, besonders im Hinblick auf das ästhetische Resultat. Implantatrekonstruktionen sind jedoch weniger invasiv, erfordern kein zusätzliches Spendeareal und keine mikrochirurgische Expertise. Daher werden sie nach wie vor in der ganz überwiegenden Mehrzahl durchgeführt. An Sicherheit, funktionelles und ästhetisches Outcome werden hohe Ansprüche gestellt werden.

Ein großer Gewinn war die zunehmende Akzeptanz der kosmetisch anspruchsvolleren hautsparenden Resektionstechniken. Sie werfen jedoch technische Probleme auf, die vorher nicht bestanden. Neben Durchblutungsstörungen der ausgedünnten Brusthaut stellt die Kontrolle der Implantatlage z. T. eine Herausforderung dar. Gewebeverstärkungen mit allogener Matrix oder synthetischen Netzen können eine Hilfe sein. Sie ermöglichen ein besseres ästhetisches Resultat, da das Implantatlager erweitert und die laterale Begrenzung besser geformt werden kann.

Eine konventionelle Implantatrekonstruktion erfordert die Positionierung des Implantates unter dem Pektoralismuskel im oberen und häufig unter dem Serratusmuskel im unteren Anteil. Hierbei ist jedoch die mögliche Ausdehnung besonders nach lateral, aber auch die erzielbare Projektion stark eingeschränkt. Für ein symmetrisches Resultat muss dann ein zweizeitiges Vorgehen mit anfänglicher Expandereinlage gewählt werden. Sollte eine adjuvante Strahlentherapie erforderlich sein, muss der Wechsel auf das definitive Implantat in einem bestrahlten Areal durchgeführt werden, was mit einer erheblichen Zunahme von Komplikationen verbunden ist.

Dies kann durch den Einsatz der gewebeverstärkenden Materialien vermieden werden, da primär ein korrespondierendes Implantat verwendet werden kann. Die laterale Begrenzung wird gesichert und zur Vermeidung der Retraktion des Pektoralismuskels ist der Serratus nicht mehr erforderlich. Gleichzeitig vermindert sich die Invasivität des Eingriffs.
Ob für diese mechanischen Aspekte Matrices oder Netze verwendet werden ist unerheblich. Insbesondere den Matrices werden zusätzliche Vorteile zugesprochen. Zum einen sollen sie durch ihre meist dickere Struktur den Weichteilmantel verstärken und damit einem sichtbaren Rippling vorbeugen. Zum anderen gibt es Hinweise, dass möglicherweise die Ausbildung einer Kapselfibrose deutlich vermindert wird, unerheblich ob mit oder ohne Radiatio. Im Gegensatz dazu haben synthetische Materialien neben dem finanziellen Aspekt Vorteile in der handlichen Nutzung und Lagerung.

Hat der Einsatz also nur Vorteile? Insgesamt liegt für die wissenschaftliche Risiko- und Nutzenbewertung beider Materialien nur eine sehr begrenzte Evidenz vor. Es häuften sich Publikationen, die auf eine erhöhte Komplikationsrate bei der additiven Verwendung von Fremdmaterial hinweisen. Metaanalysen zeigen eine erhöhte Rate von Infekten, Seromen und Implantatversagen bei Verwendung von ADM. Für Netze liegen kaum Daten vor. Besonders die nicht resorbierbaren Materialien können bei Patientinnen mit sehr dünnem Hautmantel jedoch den Nachteil haben, dass sie sich im Falle der Konversion zu einer Eigengewebsrekonstruktion nicht mehr entfernen lassen, ohne die Perfusion zu gefährden. Hierdurch wird eine ästhetische Formung weitgehend verhindert.

Nach unserer Erfahrung sind die meisten der genannten Komplikationen durch eine gute Patientenselektion und korrekte operative Technik vermeidbar. Es stellt sich vielmehr die Frage, wann mit der Verwendung ein tatsächlicher Vorteil verbunden ist. Bei ausreichendem Hautmantel und einer vorausschauenden Präparation kann sehr häufig eine zuverlässige Positionierung des Implantats erfolgen. Nach anfänglicher Euphorie werden die Produkte in letzter Zeit gezielter eingesetzt. Wir verwenden sie lediglich in den Fällen, in denen eine Sicherung der Implantatgrenzen oder der muskulären Deckung mit anderen Techniken nicht möglich ist. Eine dauerhafte Vermeidung von Rippling ist bei hierfür prädestinierten Patientinnen alleine mit einer ADM nicht möglich. Hierfür ist ein zusätzliches Lipofilling erforderlich. Aus technischen Gründen verwenden wir dann eine Matrix, um eine bessere Implantatprotektion zu gewährleisten. Andernfalls sind Netze meist ausreichend. Bei der Therapie von Kapselfibrosen scheint der Einsatz von ADM ebenfalls sinnvoller.

Zusammenfassend haben die Materialien unser Optionen erweitert und ermöglichen bessere ästhetische Resultate. Sie erfordern jedoch eine gewissenhafte chirurgische Technik und ein spezielles postoperatives Management.

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Kontakt:
Dr. med. Uwe von Fritschen
Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie
Head of Department, Plastic and Aesthetic Surgery, Hand Surgery
Walterhöferstr.11
14165 Berlin
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Internet: www.helios-kliniken.de/berlin-plastische-chirurgie