01.05.2017 | 2017

Neue Therapiemöglichkeiten beim metastasierten Brustkrebs – eine Chance auf Heilung?*

Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss, Co-Kongresspräsident 2017, Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg
Prof. Dr. med. Florian Schütz, Stellvertretender Klinikdirektor und Leiter des interdisziplinären Brustzentrums Frauenklinik Universitätsklinikum Heidelberg

Der Brustkrebs im metastasierten (gestreuten) Stadium ist eine nicht mehr heilbare, aber in der Regel chronisch verlaufende Erkrankung. Ursache für den chronischen Erkrankungsverlauf ist die langsam zunehmende Anzahl unterschiedlicher Tumorzellen, die mit fortschreitender Erkrankungsdauer immer unempfindlicher werden. Heute können durch eine moderne, interdisziplinäre Behandlung durchschnittliche Überlebenszeiten von ca. drei Jahren erreicht werden. In Einzelfällen beträgt die Überlebenszeit zehn Jahre und länger bei guter Lebensqualität.

Wichtigste Therapieziele sind die Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität und die Linderung tumorbedingter Beschwerden. Die Wahl der Therapie orientiert sich an den Wünschen und Bedürfnissen, dem Allgemeinzustand und den Begleiterkrankungen der Patientin sowie der Aggressivität der Erkrankung und deren Vorbehandlung. Da sich ein metastasierter Brustkrebs schon im ganzen Körper ausgebreitet hat, ist die medikamentöse Therapie die Hauptsäule der Behandlung. Es stehen zellwachstumhhemmende (zytostatische) sowie zielgerichtete, d. h. gegen definierte Moleküle wirksame Therapien zur Verfügung. Bei Auftreten der Metastasen sollten die Expression des Östrogenrezeptors (estrogen receptor, ER) und des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (HER)2 nochmals am Metastasengewebe bestimmt werden. Bei Nachweis des ER ist in der Regel zunächst eine endokrine d. h. gegen den ER gerichtete Therapie das Mittel der Wahl. Hier werden neben den direkt am ER angreifenden Substanzen (Tamoxifen, Fulvestrant) die Aromatasehemmer (Anastrozol, Letrozol, Exemestan) eingesetzt, die nach Eintritt der Menopause den Östrogenspiegel weiter absenken. Diese Substanzen werden häufig mit Medikamenten kombiniert, die Resistenzmechanismen unterdrücken, wie den Cyclin D Kinase (CDK) 4/6-Hemmer Palbociclib oder den mammalian Target of Rapamycin (mTOR)-Hemmer Everolimus. Hierdurch kann die Zeit bis zum Therapieversagen um mehrere Monate verlängert werden. Bei HER2-Überexpression wird durch eine gegen HER2 gerichtete Therapie das Überleben signifikant verlängert. Zugelassen sind die Anti-HER2 Antikörper Trastuzumab und Pertuzumab, das Immunotoxin Trastuzumab-Emtansin sowie der HER1/2-Kinaseinhibitor Lapatinib. Als zielgerichtet wirksame Substanz bei fehlender HER2-Expression steht in Europa Bevacizumab zur Verfügung, ein Antikörper gegen den vaskulären Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor).

Mehr als die Hälfte aller Patienten mit gestreutem Brustkrebs entwickeln Knochenmetastasen, die zu Komplikationen am Skelett führen können. Durch Bisphosphonate oder den RANKL-Antikörper Denosumab wird das Auftreten von Komplikationen am Skelett verzögert bzw. verhindert. Lokale Therapiemaßnahmen wie Strahlentherapie oder Operationen werden beim metastasierten Brustkrebs nur bei lokalen Problemen wie z. B. bei Frakturgefahr oder konservativ nicht beherrschbaren Knochenschmerzen empfohlen.

Um in Zukunft zügiger Fortschritte zu machen, müssen therapierelevante Brustkrebssubtypen besser definiert und charakterisiert werden. Eine umfassende molekulare Charakterisierung des individuellen Tumors und auch des individuellen Patienten ist erforderlich. Parallel zur Erprobung jeder neuen Substanz ist ein Marker zu etablieren, der ein Ansprechen auf diese Substanz spezifisch vorhersagt. Nur so können die Patienten identifiziert werden, die von der neuen Therapie profitieren. Zudem werden klinisch relevante Effekte bei wenigen Patienten nicht übersehen und die Wirtschaftlichkeit bleibt gewahrt. Die umfassende molekulare Charakterisierung des individuellen Tumors und Patientin ermöglicht uns hoffentlich in Zukunft eine besser auf die einzelne Patientin und ihre Erkrankung zugeschnittene und damit wirklich personalisierte Therapie.

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*Ursprünglich veröffentlicht in der Kampagne „Frauensache“ vom Mediaplanet Verlag Deutschland, am 13. Mai 2017.

Kontakt:
Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss
Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Universitätsklinikum
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
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Internet: www.nct-heidelberg.de

Prof. Dr. med. Florian Schütz
Universitätsfrauenklinik Heidelberg
Stellvertretender Klinikdirektor
Leiter des interdisziplinären Brustzentrums INF 440
69120 Heidelberg
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Internet: www.nct-heidelberg.de