Radiologie, Genetik und weitere Daten – ist Big Data die Lösung?
Prof. Dr. med. Peter A. Fasching, Frauenklinik, Universitätsklinikums Erlangen, Universitäts-Brustzentrum Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen-Europäische Metropolregion Nürnberg (CCC ER-EMN)
Prof. Dr. med. Rüdiger Schulz-Wendtland, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. (DGS), Kongresspräsident 2018 – 38. Jahrestagung der DGS, Radiologisches Institut/Gynäkologische Radiologie, Universitätsklinikum Erlangen
In jedem Fachbereich gibt es Fragestellungen und Probleme, die nicht ohne die Hinzunahme von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachgebieten gelöst werden können. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich verschiedene Beispiele eines solchen Vorgehens etabliert. So konnte die interdisziplinäre Tumorkonferenz deutlich zu einer Verbesserung der Qualität der Versorgung von Patientinnen mit Brustkrebs und anderen Krebsarten beitragen. Die Vernetzung von Forschern in Forschungsnetzwerken konnte ebenfalls zu einer deutlich schnelleren Vermehrung des Wissens beitragen. Nicht zuletzt ist auch der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. ein Beispiel für eine solche Interdisziplinarität. Während die ersten Zusammenschlüsse von Klinikern und Forschern verschiedener Fachbereiche und Disziplinen noch übersichtlich in Bezug auf die Aufgaben und das damit verbundene Fachwissen gewesen sind, nehmen die Ansprüche für die nächsten Schritte deutlich zu. Seit mehr als 15 Jahren ist das komplette menschliche Genom veröffentlicht, große Datenbanksysteme wurden in der Krankenversorgung etabliert und im Bereich der Radiologie wurde die Digitalisierung der Bilder vollzogen. Nun stellt sich die Frage, ob die Zusammenführung dieser Daten zur Lösung bislang ungelöster Fragestellungen genutzt werden kann. Gemeint sind auch Verbesserungen von bestehenden Behandlungs- und Diagnostik-Algorithmen.
Ein Beispiel für eine klinische Situation, die sich in den nächsten zehn Jahren deutlich verändern wird, ist die Diagnostik des Mammakarzinoms. Während die Einführung der digitalen Mammografie/Tomosynthese, des 3D-Ultraschalls und von Fusionsgeräten eine Verbesserung in der klinischen Diagnostik und interessante Impulse für künftige Forschung gegeben hat, konnte ebenfalls die Diagnostik aus Blut deutlich vorangetrieben werden. Die Analyse von zirkulierenden Nukleinsäuren hat in den letzten Jahren so deutliche Fortschritte gemacht, dass man davon ausgehen kann, dass die Sensitivität und Spezifität für das Entdecken eines Karzinoms im Körper genau genug ist, um komplementär zur bildgebenden Diagnostik einen entscheidenden Beitrag zur Entdeckung von Karzinomen zu leisten. Das Prinzip dieses Verfahrens ist es, vom Tumor abgegebene DNA im Blut auf spezifische Mutationen, die in den entsprechenden Tumoren vorkommen, zu analysieren. Es ist bereits bekannt, welche Mutationsmuster zum Beispiel ein Lungenkarzinom von einem Mammakarzinom unterscheiden. So könnte die Blutanalyse einer bildgebenden Diagnostik zuvorkommen oder z.B. bei einem negativen Mammografiebefund eine weitere Diagnostik triggern. Eines der wichtigsten Ziele hierbei muss darin bestehen, eine Überdiagnostik zu vermeiden und im Rahmen einer Zusammenführung von genomischen Daten und Bilddaten besonderes Augenmerk darauf zu legen, Patientinnen keiner operativen Therapie oder einer Chemo- bzw. Strahlentherapie zuzuführen, wenn diese nicht absolut erforderlich ist.
Obwohl die Zusammenführung der umschriebenen Anwendungen in der nahen Zukunft eine Veränderung der Diagnostik mit sich bringen könnte, ist dies erst der Beginn der Nutzung von Daten, die entweder den Tumor oder die Patientin beschreiben. Eine Vielzahl von Daten, deren klinischer Nutzen bislang gegebenenfalls noch nicht nachgewiesen ist, befindet sich in den Datenbanksystemen der Kliniken, der Krankenkassen und der Forschungsdatenbanken. Eine Nutzung für die Patientinnen mit neuen, modernen Analyseverfahren liegt hier nahe. Gemeint sind Methoden des maschinellen Lernens bzw. der künstlichen Intelligenz. Bei der Zunahme des Wissens um Krankheiten und Therapien kann nicht davon ausgegangen werden, dass Ärzte, Schwestern und andere Beteiligte im Gesundheitswesen alle Entwicklungen der Diagnostik und Behandlung zeitnah umsetzen können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Erkenntnisse immer schneller gewonnen und in die Klinik implementiert werden, bieten computergestützte Systeme eine Möglichkeit, wie diese Herausforderungen bewältigt werden können, da sie die Entscheidungsfindung unterstützen. Bevor sich Ärzte und Patientinnen bei der Integration solcher Möglichkeiten gleichermaßen wohlfühlen, müssen in Studien die Sicherheit, der Nutzen und die Praktikabilität solcher Herangehensweisen nachgewiesen werden. Erste Unterstützungssysteme sind bereits in Studien und Forschungsnetzwerken entwickelt worden (wie z.B. auf der interdisziplinären Tumorkonferenz) und müssen nun im Hinblick auf ihre Integration in den klinischen Alltag untersucht werden.
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Kontakt:
Prof. Dr. med. Peter A. Fasching
Frauenklinik
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