02.10.2017 | 2017

Warum Behandlung in Brustzentren?

Prof. Dr. med. Anton J. Scharl, 1. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) e.V., Chefarzt Frauenklinik, Klinikum St. Marien Amberg

Jedes Jahr erkranken 70.000 Frauen in Deutschland an einem Mammakarzinom. Diese häufigste Krebserkrankung der Frau hat gute Heilungschancen: Vier von fünf Patientinnen werden gesund. Die Daten des Robert-Koch-Instituts zeigen eine Verbesserung der 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 1997 und 2012 von 73 Prozent auf 86 Prozent. Dies ist neben der Früherkennung, der steten Optimierung der Behandlung zu verdanken.

Regelmäßig aktualisierte Leitlinien für die Therapie von Brustkrebs bündeln den wissenschaftlichen Fortschritt und machen diesen für die praktische Behandlung verfüg- und anwendbar. Aufwendige Studien belegten, dass eine leitliniengerechte Therapie die Heilungschancen signifikant verbessert (Wöckel A, et al. Senologie 2010; 7: 207-212). Die größte Chance für eine leitliniengerechte und den persönlichen Bedürfnissen angepasste Behandlung und eine Optimierung der Überlebenschancen haben Patientinnen in zertifizierten Brustzentren. Dies wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt (Kowalski C, et al. Breast. 2015;24:118-23. Beckmann MW, et al. Onkologie. 2011;34:362-7) und auch durch Analysen des wissenschaftlichen Instituts der AOK bestätigt.

Zertifizierte Brustzentren wurden seit 2004 in Deutschland durch die Deutsche Gesellschaft für Senologie e.V. und die Deutsche Krebsgesellschaft etabliert. Die Zertifizierung ist freiwillig. Ein umfangreiches Pflichtenheft regelt die strukturellen, personellen und qualitativen Voraussetzungen. Jährliche Kontrollen durch ein unabhängiges Institut und Audits vor Ort prüfen die Erfüllung der Anforderungen und die Ergebnisse der Behandlung und gewährleisten ein hohes Qualitätsniveau und eine stetige Weiterentwicklung. Vier von fünf Brustkrebspatientinnen werden heute in einem der flächendeckend über Deutschland verteilten 230 zertifizierten Brustzentren behandelt.

Ein maßgeschneidertes Therapiekonzept steht am Beginn jeder Behandlung im Brustzentrum. Es wird unter der Koordination eines spezialisierten Frauenarztes/Frauenärztin durch ein Team aus Experten für Diagnostik, Operationen, Strahlen- und medikamentöse Therapien für jede Patientin individuell erarbeitet. Die Patientin muss daher nicht mit zahlreichen Experten Termine abstimmen. Vielmehr hat sie einen ärztlichen Ansprechpartner und eine auf Brustkrebserkrankung spezialisierte Pflegekraft, welche sie durch die Behandlung begleitet.

Vorbei sind die Zeiten verstümmelnder Operationen: Meist kann die Brust erhalten werden. Wenn dies nicht möglich ist, stellen rekonstruktive Operationen die Integrität des Körpers wieder her. Vergangenheit ist dank der Technik des Wächterlymphknotens auch die ausgedehnte Operation der Achselhöhle und die Angst vor Lymphödem und Funktionseinschränkung des Armes. Moderne Analyseverfahren suchen nach der „Achillesferse“ des Brustkrebses. Dadurch werden zielgerichtete „targeted“ Therapieoptionen mit antihormonellen Substanzen und Antikörpern möglich, welche nebenwirkungsarm und zugleich effektiv eine Chemotherapie ergänzen oder gar ersetzen können. Neoadjuvante und postneoadjuvante Strategien der medikamentösen Therapie erlauben eine an der Wirkung auf den Tumor orientierte individuelle Steuerung der Behandlung. Moderne Strahlentherapiekonzepte schonen gesundes Gewebe und verkürzen die Behandlungszeit (hypofraktionierte Bestrahlung) teilweise sogar bis auf wenige Minuten während der Operation (intraoperative Bestrahlung).
Die Teilnahme an Studien ermöglicht den Patientinnen Zugang zu innovativen Behandlungsverfahren und trägt zur steten Weiterentwicklung der Therapie bei. Junge Frauen brauchen zudem Beratung und Unterstützung bei der Familienplanung. Eine Schwangerschaft nach Brustkrebs ist nicht schädlich. Viele Brustzentren bieten neben der Schulmedizin ergänzende Angebote: Naturheilkunde, Beratung über gesunde Ernährung und Bewegung tragen zur Gesundung bei und vermindern das Risiko für andere Erkrankungen.

Der Patientin im Brustzentrum steht eine psychoonkologische Betreuung zur Verfügung, die hilft, die seelischen Belastungen zu mildern und in ein gesundes Leben zurückzufinden. Der Sozialdienst bietet Beratung und Hilfe in sozialrechtlichen Fragen und bei Maßnahmen zur Rehabilitation.

Dank der Erfolge der Therapie gibt es für die meisten Frauen ein gesundes Leben nach dem Krebs. Der mit dem Brustzentrum kooperierende Frauenarzt oder die Frauenärztin begleitet die jahrelangen endokrinen Behandlungen, mindert mögliche Nebenwirkungen, beantwortet Fragen und nimmt Sorgen.

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Kontakt:
Prof. Dr. med. Anton J. Scharl
Chefarzt
Klinikum St. Marien Amberg
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Mariahilfbergweg 7
92224 Amberg
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Internet: http://www.klinikum-amberg.de/de/medizin/kliniken-und-fachbereiche/hauptabteilungen/frauenklinik/frauenklinik.php